Wie eine Prophetin hält uns die Kartenschlägerin die Pik 7 entgegen: zugleich warnendes Symbol und Hinweis auf eine große Veränderung. Auch das Werk Rolf Müller-Landaus ist nach 1945 nicht mehr das gleiche wie davor. Die große Herausforderung der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen, nahm er als einer der aktivsten Maler in der Region an.
Dabei ging der maßgebliche Impuls von Ausstellungen moderner französischer Malerei – etwa den Fauves oder den Kubisten – aus, die durch die französische Kulturpolitik ermöglicht wurden. Sein figurativ geprägtes Werk veränderte sich in der Folge entscheidend. Er entwickelte seine charakteristische abstrakte Formensprache, die weiterhin dem Gegenstand verpflichtet blieb und ihm überregionale Anerkennung einbrachte. Ob die Landschaft der Provence oder Figurenkompositionen, alles scheint in geometrischen Elementen aufgelöst.
Die Malerei Rolf Müller-Landaus ist durch seine stete Suche nach neuen Stilen und Ausdrucksformen geprägt. Auf diesem Weg setzte er sich wiederholt mit ein und demselben Motiv auseinander. So zeigt "Nach dem Bade" in einer frühen Version die auf einem Hocker sich abtrocknende Badende in einer realistischen Wiedergabe. Wenige Jahre später ist diese Komposition in geometrische Formen aufgebrochen, die nun abstrahierte Frauenfigur in ein Liniengerüst eingepasst und die natürliche Farbgebung verworfen.
Müller-Landaus Werk dokumentiert gleichsam den künstlerischen Paradigmenwechsel nach 1945. An den zeitgleich stattfindenden Diskussionen über eine für die Darstellung der Probleme der eigenen Zeit angemessenen Kunstrichtung, ob gegenständlich oder ungegenständlich, beteiligte er sich allerdings nicht.
Nationalsozialistische Herrschaft und Kriegsereignisse ließen Rolf Müller-Landau nicht unberührt und wirkten sich von Anfang an auf seine Arbeit aus. Zu "malendem Einsatz" durch den Gauleiter beauftragt entstanden verschiedene Aquarelle, wie "Geborstener Bunker (am Westwall)", das einen massiven Bunkerblock in einer menschenleeren Landschaft festhält und zugleich die Grenzsituation der Region dokumentiert. Die direkte Konfrontation mit den Schrecken des Krieges zeigt das Blatt "Zerschossene Häuser" mit eingestürzten, verwüsteten Hausruinen, in der noch die letzten Flammen lodern.
Zwischen 1941 und 1943 führten Müller-Landau mehrere Reisen nach Metz, wo er neben Stadtansichten vor allem zahlreiche Darstellungen der Kathedrale aus unterschiedlichen Blickwinkeln malte. Dabei stehen nicht die baulichen Einzelheiten im Vordergrund, sondern die Stimmung im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten.
Porträts nehmen einen großen Stellenwert im Œuvre Müller-Landaus ein. Er malte zahlreiche Bildnisse seiner Familie − vor allem seine Frau Hermine saß ihm sehr oft geduldig Portrait − aber auch von Künstlerfreunden und unbekannten Personen. Egal in welchem Stil die Bildnisse entstanden, der Charakter der Person ist stets erfasst.
Dabei ist das Verarbeiten verschiedener künstlerischer Einflüsse charakteristisch für die Arbeiten Müller-Landaus. Zunächst noch von Vincent van Goghs kontrastreicher Farbigkeit und pastosem Pinselstrich maßgeblich beeinflusst, beschäftigte er sich anschließend mit der Malerei der französischen Impressionisten. So unter anderem mit August Renoir, dessen Impuls beispielsweise beim "Mädchen mit Kamm", sei es motivisch oder in der zarten Strichführung des Pinsels, sichtbar ist.
"Ich bin wieder feste in der Arbeit, hab´ viele Aktkompositionen gemacht"
Nach der Kunstdoktrin des Dritten Reiches erlangt die Farbe ihre Freiheit zurück. War Rolf Müller-Landaus Werk der 40er Jahre zumeist dunkeltonig und düster, wandelt sich seine Farbgebung unter dem Einfluss eines in Ausstellungen "wieder"-entdeckten Henri Matisse entscheidend: Der "Liegende Akt" lebt von intensiven Farben, die den Körper flächig modellieren und antinaturalistisch verwendet werden − während des Nationalsozialismus als entartete Kunst gebrandmarkt und somit undenkbar.
Auch die Darstellung eines Raumes nach den Regeln der Zentralperspektive durch einen definierten Vorder- und Hintergrund wird nun zugunsten verzahnter Formflächen aufgegeben. Im Gegensatz zum Kubismus eines Picasso oder Braque, bleibt die Farbe ein zentrales Kompositionselement in Müller-Landaus Arbeiten. Aktdarstellungen und Stillleben sind nach wie vor ein häufiges Motiv.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte der Künstler sein Spektrum und wendete sich neben der Mythologie auch religiösen Themen zu. Das Gemälde "Apokalyptischer Engel" basiert auf der Offenbarung des Johannes. Unheilvoll und übermächtig malte Müller-Landau diesen dunklen Engel, der die "Schale des göttlichen Zorns" über der bereits in Trümmern liegenden Welt ausgießt. Eine Verarbeitung der erlebten Ereignisse und zugleich Stimmungsbild nicht nur der eigenen Gefühlslage dieser Zeit.
Um dieses Schicksal der eigenen Künstlergeneration zu überwinden, ist es der hervorragend mit anderen Künstlern vernetzte Müller-Landau, der zusammen mit Daniel Wolgemuth die Idee einer Künstlervereinigung ("Pfälzische Sezession") verfolgte. Mit großem Engagement versuchten sie andere Künstler "von gleichstrebender Grundeinstellung" für dieses Projekt zu finden. Genannt seien exemplarisch Hans Purrmann, Theo Sigle oder Edvard Frank. Mitglieder wurden desweiteren namhafte Künstler wie Emy Roeder, HAP Grieshaber, Werner Gilles oder Gustav Seitz.
Archaisch anmutende Tiere und Fabelwesen bevölkern diese äußerst phantasiereichen Grafiken, deren Ursprünge in der Mythologie und Religion liegen. Das Druckverfahren (sog. "Farbschnittmonotypie") entwickelte Rolf Müller-Landau ab etwa 1950.
Ausgangspunkt für seine Schöpfungen waren gegenständliche und abstrakte Formen meist aus Linoleum oder zum Teil aus Holz, die im nächsten Schritt als Druckstöcke Verwendung fanden. Gedruckt wurden sie auf dünnem, eigens aus China importiertem Reispapier. Als Grundierung dienten Müller-Landau oftmals Holzmaserungen, die er auf das handgeschöpfte Papier aufbrachte. Anschließend kombinierte er die Formen stets neu, ließ diese sich überlappen und experimentierte mit zahlreichen Farbvarianten. Auf das Wesentliche reduziert, setzte er so abstrakte Formen in intensiven Farben zu neuen Kompositionen zusammen: Jedes Blatt ist ein Unika
Nicht nur der Zusatz "Landau" in seinem Namen zeigt die tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat, wo er sich nach Abschluss seiner Studien nach 1930 als freischaffender Maler niederließ. Auch zahlreiche Werke widmete Rolf Müller-Landau dieser charakteristischen südpfälzischen Landschaft mit ihrer besonderen Farbigkeit und dem intensiven Licht. Wie viele andere Künstler auch, setzte er sich zunächst mit dem damals alles dominierenden impressionistischen Malstil des "Übervaters" der Region, Max Slevogt, auseinander und malte mit Künstlerkollegen wie beispielsweise Hans van Voorthuizen direkt vor dem Motiv im Freien. Doch Müller-Landau schien es auf Dauer nicht zu genügen, dieser Tradition zu folgen und sich still einzureihen. Er war stets auf der Suche nach anderen Stilen, künstlerischen Einflüssen und individuellen Ausdrucksformen.
Fotos: Rolf Goosmann, 2015